Die Geschichte von St. Peter in der Au
Nähert man sich St. Peter in der Au vom Osten her, beherrschen Kirche und Schloss das Bild des Ortes. Zwei Bauwerke, die unzweifelhaft zu den ältesten dieses Marktfleckens gehören. Doch schon lange vor der Errichtung jener markanten Bauten hielten sich Menschen in dieser Gegend auf. Bereits aus der Zeit um 2000 v. Chr. existieren Funde, die auf eine Besiedlung des Gebietes hinweisen.
"Url", der Name des Flusses, an dem St. Peter liegt, erinnert an die Kelten, die sich ebenfalls hier aufgehalten haben. Auch die Römer dürften auf ihren Streifzügen diesen Raum betreten haben, lag doch das nächste Römerkastell nur etwa 15 Kilometer entfernt im heutigen Mauer an der Url.
Aber erst mit den frühesten schriftlichen Aufzeichnungen kann mehr über die Geschichte des Ortes in Erfahrung gebracht werden.
Um 1100 erwarb ein hochadeliges Geschlecht, verwandt mit dem Gründer des Stiftes Seitenstetten, umfangreichen Besitz im Urltal und benannte sich danach: die Herren von Url. Sie riefen in das neuerworbene Gebiet Ansiedler aus Bayern, die das weite Waldgebiet urbar machten. Fränkische Zuwanderer setzten in der Folge ihr Kolonisationswerk fort.
Ursprünglich hieß St. Peter "Owe" (=Au), was aus der urkundlichen Erwähnung eines Egino von Owe um 1120 hervorgeht. Zur gleichen Zeit lesen wir in den Urkunden auch zum ersten Mal von St. Johann in Engstetten und Kürnberg. Egino von Owe, der sich auch "de Urle" nannte, gilt als Gründer des Ortes St. Peter in der Au. Es kann angenommen werden, dass die Errichtung der ursprünglichen Burg mit einer Kapelle auf ihn zurückzuführen ist.
1142 scheint erstmals in einer Urkunde der Name des heutigen St. Michael am Bruckbach. Es dürften also die Pfarrorte der heutigen Großgemeinde etwa zur gleichen Zeit entstanden sein.
Nach der Verlegung des Herrschaftssitzes vom inneren Urltal (Ertl) an den Straßenkreuzungspunkt St. Peter in der Au (vor 1200) erfuhr der Ort durch die Anlage eines herrschaftlichen Marktes, durch den Burg- und Kirchenausbau und durch die Pfarrgründung eine bedeutende Rangerhöhung.
Der gemeinsame Besitz an Wäldern von heute 56 Markthäusern (Agrargemeinschaft = "Kommune") ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Zeit der Marktgründung in der Babenbergerzeit zurückzuführen.
Vom 19. 6. 1210 stammt die urkundliche Ersterwähnung des Namens St. Peter und damit auch der den hl. Petrus und Paulus geweihten Eigenkirche des mächtigen Geschlechtes der Herren von Lengenbach, die Regensburger Domvögte waren.
Aus den Jahren um 1220/1230 stammt urkundlich die Anführung eines "judex" (Richters). Daraus folgt der Schluss, daß St. Peter um diese Zeit bereits Markt gewesen ist. Im Babenbergerurbar werden knapp nach 1236 Abgaben vom "forum" (=Markt) aufgezählt.
1277 erwarb das Stift Admont den Großteil der Herrschaft St. Peter in der Au und verpfändete sie kurze Zeit später an das Bistum Freising.
Genaue Auskunft über die Zusammensetzung der Herrschaftsangehörigen erhalten wir in der "Annotatio predii in Sancto Petro" des Bistums Freising aus dem Jahr 1316. 77 Marktbürger werden darin mit ihren Berufen angeführt, dazu 72 bäuerliche Realitäten. Bald danach wurde der verpfändete Besitz vom Bistum Freising an den Landesfürsten zurückgegeben und blieb in der Folge bis 1586 landesfürstlich, also habsburgisch.
Bemerkenswert ist die netzrippengewölbte spätgotische Wehrkirche (nach 1452 durch die Steyrer Bauhütte errichtet) mit 38 Schießschartenwehrständen und Längsöffnungen im Dachgeschoß über Portalen und Fenstern mit dem System des Verteidigungsbogens. Damit beherbergt St. Peter in der Au österreichweit eine architektonische Rarität.
1574 erneuerte Kaiser Maximilian II. die bei einer Feuersbrunst zugrundegegangene Urkunde mit den Marktrechten. Ein "großes Feuer" um 1500 ist in einer Pfarrurkunde erwähnt.
Um 1485 wurde die Gegend durch den Einfall von Truppen des Ungarnkönigs Matthias Corvinus arg in Mitleidenschaft gezogen. Das Haghofurbar von 1534 verzeichnet acht Brandstätten.
Auch im 16. Jahrhundert kamen die Bewohner der Herrschaft nicht zur Ruhe. Gab es doch 1525 Bauerntumulte im Urltal, in St. Johann in Engstetten, Kürnberg und anderen Orten. Damit nicht genug, waren es vier Jahre später die Türken, welche Angst und Schrecken auch im westlichen Niederösterreich verbreiteten. Die Türkenkapelle in St. Michael erinnert an eine glückliche Errettung aus dieser Gefahr.
Aber die Zeiten wurden nicht besser. Um 1570 mussten die Untertanen umfangreiche Robotleistungen erbringen, als das Schloss zur Viertelsfeste gegen die Türken ausgebaut wurde. 1586 verkaufte Kaiser Rudolf II. die Herrschaft St. Peter in der Au "samt dem Landesgericht" an Wilhelm Seemann von Mangern, was einen Umbruch der Rechtsverhältnisse nach sich zog. Durch die Einführung des Römischen Rechtes wurden den Untertanen bisherige Rechte und ihre Wälder entzogen. Jahrelange schwere Auseinandersetzungen der Grundholden mit dem Schlossherrn waren die Folge. Auf Betreiben des despotischen Grundherrn mussten bäuerliche "Rädelsführer" jahrelang ohne Gerichtsurteil Zwangsarbeit im Wiener Stadtgraben leisten. Diese Streitigkeiten fanden im Bauernaufstand von 1596/97 ihren Höhepunkt. Wilhelm Seemann wurde im eigenen Schloss gefangengehalten und erst wieder freigelassen, als er den Untertanen versprach, ihnen die alten Rechte wieder zurückzugeben. Dennoch wurden zwei Bauernführer (einer war Michael Beer) hingerichtet, die Bauern mussten jährlich bis 1848 Abbitte vor dem Schloss leisten. Ein so lange währendes Rechtsbrauchtum ist in ganz Österreich einzigartig.
Im 17. Jahrhundert waren es dann Glaubenszwist und Pest, welche die Bevölkerung nicht zur Ruhe kommen ließen. So vertrieben die Katholiken den lutherischen Prädikanten und den Schullehrer im Jahr 1628 aus dem Ort, und in den Pestjahren 1679 und 1713 starben ganze Höfe aus. Nur fünf Jahre später forderte die Rote Ruhr in St. Michael 97 Tote.
Waren es nicht Seuchen und andere Unbill, so brachten kriegerische Auseinandersetzungen Leid und Elend über die Bewohner. Im Österreichischen Erbfolgekrieg wurde St. Peter 1741 Quartierbezirk. Bayrische und französische Truppen wurden erst durch das Eingreifen kaiserlicher Soldaten wieder vertrieben.
Pfarrgeschichtlich ist zu erwähnen, dass St. Peter bis 1785 zur Diözese Passau gehörte. Seit diesem Jahr ist die Pfarre dem Bischof von St. Pölten unterstellt.
Nur ein Menschenalter nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg waren es wieder die Franzosen, die unter Napoleon neuerlich Leid über die Bevölkerung brachten. Einquartierungen, Drangsalierung, Brandschatzung und Seuchen brachten den St. Peterern schwere Zeiten. Daran erinnert eine Steintafel an der St. Johannser Kirche, die vom Tod eines Sohnes berichtet, der die Mutter vor den Franzosen schützen wollte und dabei sein Leben verlor.
Aber auch diese schweren Zeiten waren einmal zu Ende. St. Peter wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Relaisstation im regelmäßigen Postkutschenverkehr zwischen Amstetten und Steyr. Im gleichen Jahr, am 19. Juni 1842, wurde der Operettenkomponist Carl Zeller als Sohn eines Arztes in St. Peter geboren.
Sechs Jahre später endete die Erbuntertänigkeit der Bauern mit Robot, Zehent und herrschaftlicher Gerichtsbarkeit (Schloss). Die jahrhundertelange Untertanenbeziehung wurde dadurch abgeschafft - die Bauern wurden Besitzer von eigenem Hab und Gut. Allerdings mussten sie noch jahrelang Ablösezahlungen an die Grundherrschaften leisten.
Die auf Grund des provisorischen Gemeindegesetzes von 1849 geschaffene Gemeinde St. Peter in der Au in der Au reichte (schon damals gab es eine Großgemeinde) bis zur heutigen Landesgrenze bei Maria Neustift und gehörte zunächst zur Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Ybbs. Die Trennung in Marktgemeinde und Dorfgemeinde kam 1866 zustande. 99 Jahre später wurden die beiden Gemeinden wieder vereinigt und bildeten den Grundstock einer neuen Großgemeinde.
Nach der Eröffnung der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn im Jahre 1858 war St. Peter zehn Jahre lang Bahnhof für Steyr. In diesem Jahr wurde St. Peter auch zum Bezirksgerichtsort, womit die überregionale Bedeutung des Ortes deutlich zum Ausdruck kam, was 1877 durch die Verlegung des Gendarmeriepostens von Seitenstetten nach St. Peter noch unterstrichen wurde.
1922 wurde aus Teilen von Dorf St. Peter in der Au, St. Michael am Bruckbach und Konradsheim die Gemeinde Ertl errichtet.
Nachdem am 12. März 1938 deutsche Truppen in St. Peter in der Au eingelangt waren, brachte die Zeit auch für St. Peter politische Umwälzungen und beträchtliches Leid für die Bevölkerung. Als am 7. Mai 1945 amerikanische Truppen hier eintrafen und zwei Tage später, am ersten Tag nach Kriegsende, russische Panzer in den Ort einfuhren, war die schlimme Zeit noch nicht überstanden. Erst am 18. August 1955 endete für
St. Peter in der Au die Besatzungszeit. In diese fällt der bis heute ungeklärte Massenmord an
11 Personen im Oktober 1947 (Österreichs größter ungeklärter Mordfall).
Nach den Jahren des Wiederaufbaus schlug am 1. Jänner 1971 die Geburtsstunde der Großgemeinde
St. Peter in der Au durch die Zusammenlegung mit den Gemeinden Kürnberg, St. Johann in Engstetten und St. Michael am Bruckbach.
Quellen:
Alois Schmutzer: Beitrag St. Peter in der Au in "Die Gemeinden des Amstettner Raumes, Von der Vergangenheit zur Gegenwart", Verein für heimatliche Forschung im Bezirk Amstetten 1988, S 132-150, und Zeittafel zur Geschichte von St. Peter in der Au
Literaturhinweis:
Herbert Pauli, Roman "Um uralt Recht und Herkommen – Ein Schicksalsbild aus den nö. Bauernaufstandsjahren 1596/97; Edition Doppelpunkt, Wien 1997